HWK Schwaben

Die HWK Schwaben feiert Jubiläum – Interview mit Präsident Hans-Peter Rauch und Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner125 Jahre Einsatz fürs Handwerk

Herr Rauch, Herr Wagner, was bedeuten aus Ihrer Sicht 125 Jahre Handwerkskammer für Schwaben?

Hans-Peter Rauch: Zunächst einmal ein stolzes Jubiläum und eine Erfolgsgeschichte. Mit Einführung der Kammern durch einen Reichstagsbeschluss und eine Novellierung der Reichsgewerbeordnung von 1897 unter Otto von Bismarck konnte die Qualität im Handwerk deutlich gesteigert werden, was damals dringend nötig war und bis heute wichtig ist.
Ulrich Wagner: Wir hatten Ende des 19. Jahrhunderts absolute Gewerbefreiheit in Deutschland. „Made in Germany“, was heute ein Qualitätssiegel ist, stand damals für minderwertige Qualität. Durch die Kammern und deren gesetzlich geregelte Aufgaben änderte sich das.

Was waren die entscheidenden Schritte?

Wagner: Vor allem eine Verbesserung in der Aus- und Weiterbildung. Was wir heute mit unserer Akademie und unseren Bildungszentren in ganz Schwaben leisten, war damals nicht vorhanden oder in den Kinderschuhen. Mit der Einführung der HWK wurden bereits 1901 in unserem Kammerbezirk, damals hießen wir
noch Handwerkskammer für Schwaben und Neuburg, die ersten Gesellenprüfungen abgelegt und 1902 die ersten Meisterprüfungen.
Rauch: Die Meisterpflicht war ein entscheidender Schritt. Der Meistertitel ist auch heute noch ein bedeutendes Qualitätsmerkmal des Handwerks. Weltweit werden wir dafür beneidet, auch für das System der dualen Ausbildung, was bei uns mit der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung, kurz ÜLU, ja eher ein triales System ist. Handwerksbetriebe sind oft spezialisiert und die ÜLU sorgt dafür, dass der Nachwuchs im Handwerk eine vollständige Ausbildung mit allen Facetten sein Gewerks erhält.

Das Thema Ausbildung ist wichtig im Handwerk. Die Betriebe haben es nicht leicht, Nachwuchs zu finden. Was tut die HWK hier?

Wagner: Die Nachwuchswerbung spielt eine große Rolle in der Arbeit der Kammer. Mit vielen Projekten und Aktionen setzen wir uns dafür ein. Da ist beispielsweise die Imagekampagne des deutschen Handwerks oder unsere bayernweite Kampagne „Macher gesucht! – Lehrlinge für Bayern“ zu nennen, wo wir auch stark auf Social Media präsent sind. Darüber hinaus gibt es Seminare für angehende Lehrkräfte, die das Handwerk nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch bei uns kennenlernen können. Das ist besonders wichtig, weil die Lehrkräfte gleich nach den Eltern die wichtigsten Ratgeber bei der Berufswahl sind. Wir sind auch an Schulen, auf Ausbildungsmessen und Infoveranstaltungen aktiv. Zu einem Herzstück in unserer Nachwuchswerbung hat sich der für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtende Tag des Handwerks in Bayern entwickelt, der auf unser Betreiben, gemeinschaftlich mit unseren bayerischen Partnerkammern, eingeführt wurde.
Rauch: Der Tag des Handwerks ist ein wertvoller Baustein. Die jungen Menschen erleben zum Beispiel in unseren Berufsbildungszentren Handwerksberufe, können sich selbst praktisch ausprobieren und erfahren, wie vielfältig das Handwerk ist. Auch die Kreishandwerkerschaften, viele Innungen und Betriebe beteiligen sich daran.

Vielfalt ist ja ein großes Thema im Handwerk. Wie gelingt es, die Interessen der verschiedenen Gewerke unter einen Hut zu bringen?

Rauch: Vielfalt macht das Handwerk aus. Natürlich gibt es unterschiedlichste Meinungen und Interessen. Wir sind da auf Kompromisse angewiesen. Wir konzentrieren uns vor allem auf die wesentlichen Themen, die möglichst allen Betrieben und der Gesamtheit unseres Wirtschaftsbereichs zugutekommen. Bürokratieabbau, die Reduzierung von Abgaben und Steuern oder bezahlbare Energiepreise waren einige wichtige Themen der letzten Jahre.
Wagner: Wir setzen uns auch ganz spezifisch bei bestimmten Themen ein. Die Einführung des Meisterbonus geht ganz klar auf das Betreiben der Kammern zurück. Auch die Rückvermeisterung in einigen Bereichen, in denen vor über 20 Jahren die Meisterpflicht abgeschafft wurde, geht auf das Konto der Kammern und der gesamten Handwerksorganisation. Darüber hinaus setzen wir uns ganz stark für die Gleichwertigkeit von gewerblicher und akademischer Ausund Weiterbildung ein. Mit allen Facetten, wie zum Beispiel einer vernünftigen finanziellen Ausstattung unserer Bildungszentren.
Rauch: Das alles sind Bestandteile unserer politischen Arbeit. Wir sprechen mit vielen Abgeordneten, ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene und kooperieren dabei auch eng mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, um den Interessen und Bedarfen des Handwerks auch in Berlin Gehör zu verleihen. Hier müssen oft dicke Bretter gebohrt werden. Man muss die Themen immer wieder mit Nachdruck aufs Neue ansprechen und seine Forderungen auf den Tisch legen. Im Moment kämpfen wir unter anderem für die Einführung eines Nachfolgeund Gründungsbonus, den es in verschiedenen Bundesländern bereits gibt. In 5.000 bis 6.000  schwäbischen Betrieben steht in den kommenden Jahren die Übergabe an, weil die Inhaber 60 Jahre und älter sind. Viele haben Probleme, einen geeigneten Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden.
Wagner: Die Übernahme eines Betriebs ist ein mutiger Schritt, der vor allem mit hohen finanziellen Herausforderungen verbunden ist. Ein Nachfolgebonus würde für ein Stück mehr Sicherheit sorgen, wäre also absolut sinnvoll. Wir dürfen nicht zulassen, dass wirtschaftlich erfolgreiche und gesunde Betriebe mit zuverlässigen Mitarbeitenden einfach dichtgemacht werden, weil niemand die Nachfolge antreten will. Auch das Thema Gründung spielt eine wichtige Rolle. Es kann nicht sein, dass vermeintlich erfolgversprechende und hippe Start-ups hofiert und teils mit Millionensummen unterstützt werden und Gründungen im Handwerk links liegen gelassen werden.

Was sagen Sie einem Betriebsinhaber, der meint, er profitiere nicht von der Kammer, zahle seine Beiträge umsonst?

Wagner: Profit ist in diesem Zusammenhang ein schwieriges Wort. Die Kammern sind vom Staat gesetzlich geregelte Solidargemeinschaften, die sich selbst verwalten können. Das ist ein Privileg. Und es geht um die Interessen der gesamten Handwerksfamilie. Die Selbstverwaltung des Handwerks ist im Übrigen viel günstiger, als wenn es der Staat selbst machen müsste – vor allem durch den massiven Einsatz des Ehrenamts, zum Beispiel, was das Prüfungswesen angeht. Und es zählen Solidarität und Subsidiarität. Solidarität bedeutet eben auch, gemeinsam für die Wirtschaftsgruppe Handwerk einzustehen und nicht nur Eigeninteressen zu verfolgen, und Subsidiarität, dass die Starken die Schwächeren unterstützen.
Rauch: Über unsere Vollversammlung sind die Betriebe direkt an Entscheidungen und Beschlüssen beteiligt. Und nicht nur die Betriebe, sondern auch die Arbeitnehmer, was ein Alleinstellungsmerkmal der Handwerkskammern ist und insgesamt ein wertvolles Stück Demokratie. Jeder kann sich einbringen und die Arbeit der handwerklichen Selbstverwaltung mitgestalten.
Wagner: Jeder Mitgliedsbetrieb kann auf zahlreiche Leistungen seiner schwäbischen Kammer zurückgreifen. So beraten wir zu vielen Themen und Angelegenheiten kostenlos und individuell und bieten ein riesiges Spektrum an Kursen und Seminaren für die Aus- und Weiterbildung.

Welche Themen werden damit bedient?

Wagner: Einen Großteil machen betriebswirtschaftliche, technische und juristische Beratungen aus. Einen wertvollen Beitrag leisten wir
beim bereits angesprochenen Thema Nachfolge. Die Betriebe erhalten hier umfassende Unterstützung bei der Suche nach einem Nachfolger mit
unserer Betriebsbörse, zu den Übergabemodalitäten oder zur Finanzierung. Darüber hinaus haben wir wichtige Zukunftsthemen auf dem Schirm – Stichworte Digitalisierung, KI, Robotik. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle.
Rauch: Hier gibt es das Klimaschutznetzwerk, das die Kammer 2008 eingeführt und damit eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Handwerksunternehmen tauschen sich zu wichtigen Neuerungen und Änderungen aus, zum Beispiel beim Thema Bauen und Renovieren. Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es aber natürlich auch noch
eine andere Seite, nämlich die immer mehr ausufernde Bürokratie. Nehmen Sie das Lieferkettengesetz. Das Handwerk sollte eigentlich von strengen Regelungen ausgenommen sein, aber in Wahrheit ist es massiv betroffen. Zwar gab es in der jüngsten Vergangenheit bereits Änderungen und Erleichterungen, aber das reicht bei Weitem noch nicht aus. Bei diesem Thema wird sich die Kammer weiterhin einsetzen, wir sind da für unsere Mitgliedsbetriebe.
Wagner:  Im Übrigen gibt es viele Menschen, die durch ihr gesamtes Handwerksleben von ihrer Kammer begleitet wurden – von der Ausbildung über die Weiterbildung zum Meister, die Gründung eines Betriebs bis hin zur Gestaltung der Nachfolge. In unseren Bildungszentren werden jährlich mehrere Tausend Azubis geschult, unsere Akademie bietet zahlreiche Meisterkurse und ein vielfältiges Angebot zur beruflichen Weiterbildung für Handwerkerinnen und Handwerker an. Diese Menschen sind in hohem Maße zufrieden mit der Arbeit der Kammer. Das spiegelt sich auch in unseren regelmäßigen Mitgliederbefragungen wider, die wir in diesem Herbst wieder durchführen. Wir nehmen die Ergebnisse und konstruktive Kritik sehr ernst und versuchen, unsere Arbeit für die Betriebe stetig weiterzuentwickeln.



HWK Schwaben

Wir kämpfen für die Forderungen des Handwerks und müssen oft dicke Bretter bohren.“

Hans-Peter Rauch
HWK-Präsident

Die Selbstverwaltung des Handwerks
durch die Kammern
ist ein Privileg.

Ulrich Wagner
HWKHauptgeschäftsführer

Sascha Schneider

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